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| Evtl ne grüne Kartoffel mit blauem Hütchen in der Wüste oder am Strand, auf dem Hütchen steht »G« (aus Sachsen?) und sie hat irgendwas vorne dran. |
Aber erstmal Stiefel aus und dann Kaffee und eine rauchen. Ich versteh echt die Leute nicht mehr, die keine zehn Minuten ohne Kippe sein können. Aber das sind auch oft so Psychodinger. Da drückt irgendwas von innen und dann muß man was tun, damit das nachläßt und nicht irgendwo rauskommt. Und irgendwie. Dürfen sie in entsprechenden Anstalten ja auch, wenn ich recht informiert bin, wobei ich mirs andrerseits auch wieder nicht vorstellen kann, weil rauchen kommt ja in unsrer Leuchtenden Gesellschaft™ gleich nach dem Beelzebub, aber bei der einen, mit der ich mal näher zu tun hatte, war das auf jeden Fall so und die war noch nicht mal in der Obhut eines solchen Etablissements, dabei wärs arg nötig gewesen. Aber die lief draußen rum und hat geraucht und die Leute schalu gemacht, vor allem mich. Aber das ist ne andere Geschichte.
Im Bus saß eine hinter mir, so Mitte Zwanzig vielleicht und hat telefoniert. Ok, sagt ihr – und? Ständig sitzen irgendwelche Mittezwanzigjährigen irgendwo hinter irgendwem und irgendwas und telefonieren. Ja, aber die hinter mir sagte »Du hast geschlafen mit mir. Mama hat dich geweckt.« und da durfte ich mir dann den Rest der Fahrt Gedanken machen, mit wem sie telefoniert hat und auf nix anderes mehr achten. Zum Glück bin ich nicht lang danach ausgestiegen und konnte wieder aufpassen, daß ich nicht über meine Füße fall. Aber irgendwie …
Nachher hab ich dann zum sechzehnten und letzten Mal dieses Jahr die Treppen da gezeichnet, als ich gewartet hab und mich gefragt, ob sich in den neun Monaten das Zeugs da draußen mehr verändert hat als das Zeugs innen oder andersrum oder beides gleich oder nichts davon oder wasweißich. Wenn ich ne Praktikantin hätt, würd ich ihr nen Text dazu diktieren, aber weil ich keine hab, wird wohl nix draus, sorry. Ach ja – war mal wieder Therapie, habt ihr euch sicher schon gedacht.
Da mußte ich dann erst, auch mal wieder, zanken, weil sie mich immer dazu verführen will, irgendwelche Tabletten für und gegen alles und nichts einzuschmeißen und ich will das nicht und dann zanken wir ein bißchen und wenn wir damit fertig sind, gehts mit der Therapie weiter, aber vielleicht gehört das ja auch schon dazu.
Als wir dann ausgezankt, sie danach meine indischen Kochextasen mit dem glückschemischen Index oder wie das Ding heißt, kommentiert und ich derweil an Kreuzkümmel, Lorbeer, Kurkuma und Teufelsdreck gedacht hatte, hab ich berichtet, daß ich mich ein bissl gräme, weil ich das Buch nicht fertiggekriegt hab, weil mich über die ganzen Monate Depressionen und Angst und Aufschieberei und Zögern und ichweißnicht und Zweifel hie und Zweifel da und wasweißich ausgetrixxt haben und daß ich mich frag, warum ich mir da ständig die Beine stell, zwischen die ich mir vorher Knüppel schmeiß und daß ich mich neulich mit jemand drüber unterhalten hab, der sich da auskennt und dann eigentlich zufrieden war und das Cover neu gemacht hab und mir dabei klargeworden ist, daß ich dann auch den Innenteil ändern muß, weil das sonst nicht zusammenpaßt und weil das alles viel zu scheißebrav ist und daß mein Perfektionismus da wahrscheinlich Angst war, weil ich die vergangenen Jahre und dann hab ich wieder nen Hustenanfall gekriegt, bei dem ich nicht reden konnt, weil ich sowas immer krieg, wenn ich an die interessanten Punkte dranstipp und je interessanter, je länger und der hat ne viertel Stunde gedauert, was ein Drittel der Zeit ist und jetzt krieg ich grad auch wieder einen. »Mögest du in interessanten Zeiten leben.« Bitte nachschlagen, wers nicht kennt.
Hinterher noch zu Tantchen, die wohnt da um die Ecke, Tee und Kuchen und schnacken und heut auch noch Laugenweckle und den Rest gibts sie mir immer mit. Schätze mal, das ist ein Naturgesetz oder sowas, die »Tantchenkonstante« evtl.
Das ist noch gar nicht so lang her, da ist mir aufgefallen, daß ihre Art zu erzählen, Ähnlichkeit mit dem Nildelta hat.
Wir habens davon, wo man in der Stadt Kopien machen kann. Sie meint, sie geht immer zu dem einen Shop (in den ich nicht mehr geh, weil ich da sonen blöden Berg rauf muß und mir die noch über dreihundertfuffzig Honorar für nen Auftrag schuldet, von damals, als ich da Freelancer war und Flyer und Zeugs für sie gemacht hab, aber blöderweise ist das der einzige Copyshop in der der Stadt und den Rest kann man haken (das mit dem Shop kommt jetzt von mir, nicht von Tantchen)), da fährt sie mit dem Bus und der Shop ist gleich neben der Haltestelle, da macht sie dann ihre Kopien und danach geht sie den Berg runter ins Biokaufhaus, weils da immer diesunddas gibt und das gibts aufm Markt nicht oder nicht so gut, aber da holt sie immer dasunddies, wenn sie am Samstag unten ist, aber damals, als sie mit ihren Bekannten, die neulich wieder da waren und deren Tochter unlängst das zweite Kind gekriegt hat, das erste, ein Junge, ist mittlerweile vier, in dem einen Ort in Bayern war, waren sie da auch in nem Kaufhaus und da gabs diesunddas auch ganz gut, dann geht sie weiter und beim Müller dann links, da bei der Apotheke vorbei, holt beim Bäcker gegenüber noch solche Körnerbrötchen, die hat der öfter mal im Angebot, aber jetzt hat der ja zu gemacht, vor nem Jahr oder so und dann beim Supermarkt vielleicht noch was Einkaufen und dann zur Drogerie und manchmal ißt sie beim Italiener noch ne Pizza zu Mittag (geht nicht zu dem, non è buono (wieder von mir, nicht von Tantchen)), aber die sind immer so groß und das schafft sie nicht, deswegen ißt sie da immer nur ne halbe und dann nimmt sie am ZOB den Bus und fährt wieder heim. Ach ja – sie ist über Achzig und geht Strecken zu Fuß, bei denen ich geschafft bin, wenn ich die Öffis dafür nehm und in der Bücherei kann man auch noch Kopien machen.
Wenn jemand von euch schonmal was Längeres von mir gelesen oder ganz selten: gehört hat (beides haben wahrscheinlich die wenigsten getan, die ich nicht dazu genötigt hab), wird ihm, ihr, wasweißich sone Erzählstruktur vielleicht bekannt vorkommen. Es ästelt und es gabelt, strömt da hin und dort hin und dahin, es bereitet sich auf, es breitet sich aus und fließt, zusammen, mal wullet es eher breit gemächlich daher, mal reißts und rupfts und springts und hüpfts und einem grad das Hütchen vom Köpfchen hinab und eh man sichs versieht … ja nu. Jean Paul kennt ihr? Das war das zweite, das mir da neulich aufgefallen ist und jetzt überleg ich natürlich, ob ich sie das lesen laß. Aber warum nicht?
Nee, die Hosen passen mir leider doch nicht und irgendwelche Flausen, daß ich mich in irgendwas bald reinhungern werd, hat mir die Altersweisheit mittlerweile auch ausgetrieben, da hilft alles indische Gemüse nicht. / Die haben da nen Hof und er war mit einer verheiratet, die hatten dann fünf, sechs Kinder oder noch mehr, die Frau war taubstumm und zwei oder drei Kinder warens auch und die haben sich dann immer so unterhalten und dazu mit den Fingern vorm Mund wackeln, wie wenn Hermine nen Zauberspruch raushaut (Da könnt ich jetzt ein Excürslein über die zum Besten geben, aber das ist ne andere Geschichte). / Das Klavier wollten eigentlich die=damals, aber dann haben sie stattdessen ein Kind gekriegt und habens nicht mehr geholt. / Das hat die Tochter von denen gemacht. Es ist aus Moosgummi und schaut aus wie eine grüne Kartoffel mit blauem Hütchen in der Wüste oder am Strand, auf dem Hütchen steht»G« (ah, aus Sachsen also) und die Kartoffel hat irgendwas vorne dran. Ich denke »Das bin ich, wie ich hier rumlatsch. Aber was ist das da vorne dran?« / Alles so Entscheidungen.
Sie kommt noch mit zum Bus, zur andern, näheren Haltestelle diesmal und das Ding kurvt dann auch so schnell um die Ecke, daß es nur ne halbe Umarmung langt. Ok, dann demnächst wieder. »Eins, zwei, drei, im Sauseschritt, …« (bitte nachschlagen, wers nicht kennt).
Zwei Plätze schräg gegenüber ein schönes schwarzes Mädchen mit schönem Gesicht und Bommelmütze, schwarze Strumpfhose, dralle Beine, der Rocksaum kurz überm Knie und wir sitzen natürlich so, daß ich ihr immer voll zwischen die Beine schauen muß, wo man ( =ich) zwar nix sieht, weil sie zu dieser Jahreszeit hoffentlich was drunter hat und ich eh schuldbewußt (was anderes kann ein Mann heut auch sonst sein?) vorbeiguck, weil man das nicht tut und nicht tun darf und sich das nicht gehört und alle Männer eh und dann stellt sich auch noch so ein Depp mit Zauselbart davor und gleich kommt noch ein zweiter Depp mit Beanie oder wie das Gelumpe heißt und ner Menge Haare im Gesicht, aber nicht aufm Kopp und belallen sich mit Wörtergewölle und der mit dem Beanie sagt alles vier Mal, genau genau genau genau, gell gell gell gell, haja haja haja haja und ich seh die Beine der Schönen nicht mehr und beide Deppen so in meinem Alter und ich hoff, daß ich nie so alt werd, wie die schon sind und leide weiter.
Endlich darf ich raus. Der Zauseldepp steht vor dem Ding, an das man beim Auschecken die Karte hält und weil da jemand dran will, geht er nen Schritt zur Seite, steht halb im Gang, da kommt noch einer von hinten und will raus und Zausel ist schon ein bissl verzweifelt, weil zwei Ereignisse drei zuviel für seine Verabeitungsfähigkeiten sind und jetzt kommt meine Rache und ich nehm meine Karte, zeig aufs Kartending und sag zum Zauselbart »Na, wirds schwierig, Meister?«.
Mannmannmann, ich sags euch.
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Auszug aus meinem Buch »Öfter mal das Unbekannte – Geschichten und -chen«


